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Vier Monate später: Omnibus-Unklarheiten, Treiber für Sorgfaltspflichten und wie es weitergeht

Drei Monate nach der Veröffentlichung der Omnibus-Vorschläge durch die Europäische Kommission herrscht weiterhin Unsicherheit, und es tauchen fortlaufend neue, kritische Fragen auf. Während sich immer mehr Akteure in die Debatte um das Omnibus-Paket einbringen, navigieren Unternehmen weiterhin durch komplexe ESG-Risiken in globalen Lieferketten.

Was ist bisher passiert?

Die Ankündigung des Omnibus-Vorschlags der EU-Kommission hat eine lebhafte Debatte ausgelöst, in der viele Interessengruppen Stellung bezogen haben. Hier ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen:

  • Wirtschaftsverbände in ganz Europa begrüßen den Vorschlag im Allgemeinen, da dieser durch einen reduzierten Anwendungsbereich, vereinfachte Pflichten und den sogenannten "Stop-the-Clock"-Mechanismus mehr Rechtssicherheit bietet und den Aufwand für Unternehmen verringert.
  • Nachhaltigkeitsorientierte Initiativen wie amfori und die Ethical Trading Initiative äußern hingegen Bedenken. Sie kritisieren, dass sich der Vorschlag von einem risikobasierten Ansatz entfernt und damit die Angleichung an internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien und die OECD-Leitsätze gefährdet. [1]
  • Zivilgesellschaftliche Organisationen mobilisieren gegen den Vorschlag. Sie warnen davor, dass der Green Deal verwässert und unternehmerische Rechenschaftspflichten zurückgedrängt werden könnten. Mangelnde Transparenz und fehlende Konsultation führten zu einer offiziellen Untersuchung durch die Europäische Bürgerbeauftragte. [2]
  • Die EU-Bürgerbeauftragte hat inzwischen drei formelle Beschwerden zur Rechtmäßigkeit der Omnibus-Vorbereitungen erhalten und eine offizielle Untersuchung eingeleitet.
  • Auch die Europäische Zentralbank (EZB) meldete sich zu Wort und warnt davor, dass eine übermäßige Vereinfachung die Wirksamkeit des EU-Nachhaltigkeitsrahmens untergraben und systemische Finanzrisiken verursachen könnte. [3]
  • Gleichzeitig setzen führende Akteure der Finanzmärkte neue Maßstäbe: Der norwegische Staatsfonds Norges Bank Investment Management (NBIM) erwartet von über 9.000 Unternehmen in seinem Portfolio deutlich höhere Nachhaltigkeitsstandards – inklusive Vorstandskontrolle, wissenschaftlich fundierter Ziele zu Klima und Natur, menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten (nach UNGPs und OECD) und transparenter, zukunftsorientierter Berichterstattung (z. B. gemäß ESRS, GRI, TCFD).

Die Erwartungen, die die Omnibus-Vorschläge verzögern oder abschwächen wollen, werden somit zunehmend von den Finanzmärkten vorgegeben. Der Markt scheint sich unabhängig weiterzuentwickeln.

 

Zwischenphase – kein Stillstand

Einige Unternehmen überdenken aktuell ihre Compliance-Strategien, vor allem jene, die neu oder nur am Rande vom Anwendungsbereich betroffen sind. Doch von Stillstand kann keine Rede sein – vielmehr zeigt sich ein divergierendes Bild:

  • Globale Unternehmen mit ausgereiften ESG-Strategien treiben ihre Maßnahmen weiter voran. Für sie steht nicht die Einhaltung von Vorschriften im Vordergrund, sondern Resilienz, Reputation und die Einhaltung internationaler Standards. Diese Unternehmen zeigen sich eher frustriert über potenzielle Verzögerungen oder ein entstehendes Flickwerk regulatorischer Vorgaben innerhalb der EU.
  • Andere halten inne, unsicher, wie es ohne klare Zeitpläne oder finalen Gesetzestext weitergehen soll. Diese Zurückhaltung wird durch den "Stop-the-Clock"-Mechanismus der EU noch verstärkt, durch den zentrale Anforderungen der CSRD und CSDDD verzögert werden. [4]
    Insgesamt herrscht eher Vorsicht als Rückzug – insbesondere dort, wo hohe Reputations- oder Investorenrisiken bestehen. [4]

Insgesamt herrscht eher Vorsicht als Rückzug – insbesondere dort, wo hohe Reputations- oder Investorenrisiken bestehen.

 

Die Treiber bleiben bestehen

Trotz der politischen Entwicklungen auf EU-Ebene bestehen die wesentlichen Treiber menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten (HREDD) fort. Für viele Organisationen ist Regulierung nur ein Teil des Gesamtbilds. Es wirken weiterhin vielfältige interne, kommerzielle und geopolitische Kräfte:

  • Interne Kultur und Erwartungen der Mitarbeitenden – Teams erwarten zunehmend messbare Fortschritte bei Nachhaltigkeit und Menschenrechten.
  • Kunden- und Investorenanforderungen – Sorgfaltspflichten sind mittlerweile fest in vielen Geschäftsbeziehungen verankert, insbesondere in Lieferketten (siehe Erwartungen von NBIM).
  • Themenspezifische Gesetzgebung – Gesetze wie die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), der US Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) oder Kanadas Berichtspflichten zu Zwangsarbeit schaffen neue Anforderungen an Offenlegung und Compliance.
  • Nachhaltigkeitsgebundene Finanzierung – Für Unternehmen mit ESG-verknüpften Krediten oder Berichtsrahmen beeinflussen Sorgfaltspflichten direkt die finanzielle und reputative Performance.
  • Veränderte globale Risikolandschaft – Wandelnde Handelspolitik, politische Instabilität und Unterbrechungen der Lieferketten verstärken ESG-Risiken, unabhängig von EU-Regelungen.
    Diese Faktoren verschwinden nicht. Viele Unternehmen setzen ihren Weg fort – trotz zunehmender Unsicherheit im regulatorischen Umfeld.

 

Wie geht es weiter?

Die Vorschläge befinden sich weiterhin im Prüfverfahren und sollen in den kommenden Monaten in formelle Verhandlungen übergehen.

In der Zwischenzeit:

  • Das Europäische Parlament hat im Juni seinen Entwurf des Berichts veröffentlicht, der Rat seinen vierten Kompromisstext. [5]
  • Lobbyarbeit von Wirtschaftsverbänden und der Zivilgesellschaft wird voraussichtlich zunehmen.
  • Leitlinien zur Umsetzung sind erst nach endgültiger Verabschiedung zu erwarten.

Ein Trilogverfahren wird bis Ende 2025 erwartet, eine Verabschiedung frühestens 2026.

 

Auswirkungen auf CSRD- und CSDDD-relevante Unternehmen

Die Änderung der CSRD-Schwellenwerte könnte dazu führen, dass viele Unternehmen zumindest vorübergehend nicht mehr unter die Regelung fallen. Für Unternehmen, die bereits in Vorbereitungen investiert haben, kann ein Rückzug jedoch Reputationsrisiken oder Lücken in der Berichterstattung gegenüber Investoren und Kunden mit sich bringen.

Die Änderungen an der CSDDD könnten Sorgfaltspflichtstrategien begünstigen, die zwar breit angelegt sind, aber nicht in die Tiefe gehen – z. B. durch formelle Einbindung aller direkten Lieferanten, statt risikobasierter Fokussierung. Doch auch das birgt Risiken: In Deutschland hat dies im Rahmen des LkSG dazu geführt, dass Unternehmen ihre gesamte Lieferkette mit umfangreichen Fragebögen überfluten – mit erheblichem Aufwand auf beiden Seiten. Ohne strukturierte, kontinuierliche Einbindung könnten tieferliegende Probleme übersehen werden, was zukünftige Haftung und Prüfungen nach sich ziehen kann.

 

Perspektive von LRQA – so unterstützen wir unsere Kunden

Unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Kunden verschiedenster Branchen und Regionen zeigen klare Muster:

  • Umgang mit Unsicherheit – Wir helfen unseren Kunden, fundierte und vorausschauende Entscheidungen zu treffen, um trotz unsicherer EU-Zeitpläne an globalen Erwartungen ausgerichtet zu bleiben.
  • Stärkung der Datenqualität – Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Nachhaltigkeitsdaten qualitativ zu verbessern und belastbar zu machen – nicht nur zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern auch zur Stärkung des Vertrauens von Investoren, Kunden und Stakeholdern (siehe EZB-Stellungnahme).
  • Strategische Verankerung von Due Diligence – Die resilientesten Organisationen sehen Sorgfaltspflichten nicht als Compliance-Thema, sondern als strategische Fähigkeit. Wir begleiten sie beim Übergang von reaktiven Modellen zu integrierten Ansätzen mit langfristigem Mehrwert.
  • Risikobasierter Ansatz – Unsere Methoden wie Risikosegmentierung über das Tool EiQ helfen Unternehmen, Prioritäten zu setzen und Ressourcen datenbasiert dort einzusetzen, wo sie am meisten Wirkung entfalten.

 

Fazit

Es geht hier nicht nur um geänderte Schwellenwerte oder Fristen. Die aktuelle Situation ist ein Test, wie ernst es Unternehmen mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit und menschenrechtlichen Sorgfalt ist.

Wer weiterhin in robuste, risikobasierte Ansätze investiert, wird besser aufgestellt sein – unabhängig davon, wie der Omnibus-Prozess letztlich ausgeht.

 

Entdecken Sie unsere HREDD-Dienstleistungen

 

[1] amfori. Leading sustainability initiatives urge EU policymakers to consider adapting the Omnibus proposal for better risk management and worker and environmental protection. https://www.amfori.org/en/news/leading-sustainability-initiatives-urge-eu-policymakers-to-consider-adapting-the-omnibus-proposal-for-better-risk-management-and-worker-and-environmental-protection

[2] European Ombudsman. News document. https://www.ombudsman.europa.eu/en/news-document/en/205297

[3] European Central Bank. ECB Legal Opinion (CON/2025/10). https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/legal/ecb.leg_con_2025_10.en.pdf?330cb335ad9426cd4a64dbe4021597f1

[4] Council of the European Union. Simplification: Council gives final green light on the "stop-the-clock" mechanism to boost EU competitiveness and provide legal certainty to businesses. https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2025/04/14/simplification-council-gives-final-green-light-on-the-stop-the-clock-mechanism-to-boost-eu-competitiveness-and-provide-legal-certainty-to-businesses/

[5] European Parliament JURI Committee. Draft report on the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/JURI-PR-774282_EN.pdf

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